Alibaba ist in Spanien angekommen

Bereits im August 2019 hat Alibaba sein erstes stationäres Geschäft in Europa eröffnet: Im spanischen Madrid, denn Spanien soll für AliExpress zukünftig das Tor zum europäischen Markt öffnen. Der 1999 gegründete chinesische Online-Gigant kämpft seit Jahren mit Amazon um die Vorherrschaft im Online-Geschäft, hat in Europa aber bis jetzt noch keinen großen Marktanteil. Über 90 Prozent der verkauften Waren stammen aus dem Heimatmarkt China. Das Handelsvolumen ist zwar dreimal so groß wie das der Amerikaner, jedoch hat das Unternehmen in Europa bisher noch nicht so wirklich Fuß gefasst. Das soll sich jetzt ändern.


In Spanien, Italien, Russland und der Türkei öffnen die Chinesen ihre Plattform jetzt für lokale Hersteller und Anbieter. Die Wahl auf den Schwerpunkt Spanien fiel dabei nicht zufällig – der spanische Markt ist der drittgrößte Auslandsmarkt von AliExpress nach den USA und Russland. Grund: Die Spanier sind sehr aufgeschlossen gegenüber neuen Produkten und Marken, das Geschäft von AliExpress hat sich dementsprechend von Anfang an gut entwickelt. Die niedrige Kaufkraft der Spanier begünstigt den dortigen Handel, denn aufgrund dessen ist die Neigung, nach alternativen, preiswerten Produkten und Schnäppchen zu suchen, deutlich erhöht.


Alibaba zum Anfassen


Bei der Kundenakquise sollen stationäre Shops helfen. Dort können Kunden vor Ort die Ware betrachten und bewerten. So soll das Vertrauen in die chinesischen Produkte aufgebaut werden, die in Europa oftmals einen eher schlechten Ruf haben. Alibaba zum Anfassen sozusagen, um die Vorurteile mancher Kunden hinsichtlich Betrügereien, Lieferverzögerungen, fehlerhaften Produkten und gefälschten Artikeln abzubauen. Die in den Stores ausgestellten Waren reichen von der Kaffeemaschine bis zur Uhr, es werden internationale und unbekannte chinesische Marken verkauft. Die Shops sind ein Versuch, die Hemmschwelle für chinesische Waren zu senken, denn hier können die Produkte nicht nur live angeschaut, sondern gegebenenfalls auch reklamiert und zurückgegeben werden können. AliExpress lockte hier die ersten stationären Kunden erfolgreich mit Gratis-Geschenken wie Drohnen, Scootern und Handys.


Am Beispiel Spanien lässt sich perfekt analysieren, wie AliExpress im Hinblick auf die Expansion vorgeht. 2016 eröffnete AliExpress bereits die Plaza-Kategorie – eine Kategorie aus chinesischen Bestellern, die chinesische Hersteller direkt aus Spanien an die spanische Käuferschaft verschickte. So sollten lange Lieferzeiten im Vergleich zu Lieferungen aus China vermieden werden. Auch mögliche Zollprobleme und vereinfachte Rücksendungen waren hier von Vorteil. Die spanische Käuferschaft wurde langsam an AliExpress herangeführt. Vor zwei Jahren öffnete AliExpress die Plattform dann auch für lokale Hersteller aus Spanien. „Heute bieten 3000 spanischen Hersteller ihre Produkte bei uns an oder sind gerade dabei, sich zu registrieren“, so Estela Ye, Spanien-Geschäftsführerin von AliExpress, zum Handelsblatt.


AliExpress ist also auf Expansionskurs. Auch weitere Gerüchte machen die Runde: Steigt Alibaba bald bei Hermes ein? Plant der China-Riese eventuell sogar die Übernahme von Zalando? Mit einer Zweitplatzierung an der Börse hat Alibaba zumindest weitere 10,5 Milliarden Euro eingesammelt. Es ist also mehr als genug Kapital vorhanden, um die Expansion weiter voranzutreiben. Außerdem: In London wurde kürzlich die Zentrale ausgebaut, in Belgien baut Alibaba gerade ein gigantisches Handelsdrehkreuz am Flughafen bei Lüttich. Und seit einiger Zeit gibt es ein hochautomatisiertes Lager in Tschechien bei Prag mit über 68.000 Quadratmeter Lagerfläche. Auch auf einige andere große europäische Städte wurde ein Auge geworfen, wie zum Beispiel Hamburg. Vermieter in deutschen Shoppingcentern werden Shop-Flächen so wie in Barcelona und Madrid vermutlich sehr gern an den chinesischen Online-Gigant vermieten, denn eine gesicherte Mieteinnahme und Publikum ist so wohl garantiert. Alle Zeichen stehen auf Erfolgskurs und Expansion – wir können gespannt sein, was sich der Online-Riese noch alles einfallen lässt.

28 Juni 2021