Beruf und Privatleben mit dem Homeoffice in Einklang bringen  „Balance“ heißt das Zauberwort

Von Madeleine Buchta und Andreas Vones 

Die Balance zwischen den Lebensbereichen zu finden war schon vor Corona und dem mittlerweile weitverbreiteten Homeoffice nicht einfach. Die schweren körperlichen Gesundheitsschäden früherer „Knochenjobs“ wurden in der Neuzeit vom Leistungs- und Gesundheitsschäden mit Ängsten zu versagen abgelöst. Das gesamte Leben ist auf Schnelligkeit ausgelegt und minutiös getaktet. Terminnot, hastiges pausenloses Arbeiten bei oftmals gleichzeitiger Angst um den Arbeitsplatz macht krank. Neben Herz- und Kreislaufbeschwerden kamen chronische Erschöpfungszustände hinzu. Die Anzahl psychischer Erkrankungen durch das Berufsleben steigt besorgniserregend an. „Infektionsgefahr“ und tägliche Katastrophennachrichten über die anhaltende Corona-Pandemie sind zusätzlicher Dauerstress. 

Ob angestellt oder selbstständig: Viele Menschen verlieren die Balance zwischen Alltag und Berufsleben. Der daraus resultierende Stress führt oft geradewegs in die Depression bis hin zur Burn-out-Krankheit.

Homeoffice 

Arbeiten zu Hause verändert nicht nur den „Job“, sondern auch das Privatleben. 
Einige finden es super, andere jedoch kommen mit den Problemen der neuen Arbeitswelt nicht zurecht. Besonders für alleinerziehende Mütter und Familien auf engem Raum kann die Arbeit in den eigenen vier Wänden zur Qual werden. 

Freiberufler*innen kennen die Vor- und Nachteile und haben sich damit – „Learning by Doing“ – in den meisten Fällen gut arrangiert. Doch wer früher zwischen einem hektischen Tagwerk und verdientem Feierabend pendelte, muss sich erst einmal daran gewöhnen, dass der Arbeitsplatz nun dort ist, wo man bislang nichts mit dem Job zu tun hatte und auch nichts mehr zu tun haben wollte. Dabei hatte die digitalisierte Schnelllebigkeit schon die Grenzen verschoben und miteinander vermischt. Manch jemand fühlte sich bereits zuvor nach Feierabend oder am Wochenende und sogar in den Ferien dazu genötigt, überall zu jeder Zeit erreichbar zu sein, um vermeintlich wichtige Dinge telefonisch und am Laptop zu erledigen. Jetzt ist der Job in der „behaglichen“ Wohnung angekommen und die fehlende Distanz macht alles noch schwieriger. Aber wie schafft man es, das Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben herzustellen und vor allem es auch einzuhalten? Ganz besonders, wenn beide Lebensbereiche nicht mehr getrennt sind. Eine verlockend klingende und fraglos wichtige Eigenschaft ist in aller Munde: 

Work-Life-Balance 

Beruf-Karriere-Erfolg, soziales Umfeld, gesunde Ernährung und Freizeit heißen die vier magischen Worte und zielen auf ein ausgewogenes Verhältnis von Beruf und Privatleben ab. Eine gelungene Work-Life-Balance integriert alle Lebensbereiche.  
Einige Unternehmen erkannten den betriebswirtschaftlichen Gewinn durch ausgeglichenes Personal und führten flexible Arbeitszeiten ein, bauten einen eigenen Kinderhort sowie in Firmensport, sorgten für Entspannungsplätze mit erlaubtem Nickerchen nebst Plauderecke und harmonisch abgestimmte Farben schufen ein gutes Arbeitsklima: All das : zweifelsfrei für ein entspanntes Arbeitsumfeld. Doch es führt nicht automatisch in der privaten Welt zu einer erforderlichen Distanz zum Job. Mal nichts sehen, nichts hören, nichts sagen und sich keinen „Kopf machen“ um das, was in oder durch den Job anfällt, ist ein seltenes Gut.     

Im Homeoffice sollte man zunächst eine Grundlage für die „Balance“ schaffen. Wir empfehlen euch einige Regeln, die sowohl für Angestellte als auch für Selbstständige gelten. Einziger Unterschied: Die vom Arbeitgeber oder vom Staat zu tragenden Kosten sind als Selbstständige/r deine Betriebskosten. 

Richtet euch einen Arbeitsraum oder zumindest eine Arbeitsecke ein. Nur dort wird gearbeitet. Das Homeoffice am Esstisch, vielleicht in der Küche oder am Wohnzimmertisch ist der falsche Ansatz. Selbst ein improvisierter kleiner Arbeitsplatz sollte als solcher deutlich erkennbar sein. Auch deine Kinder müssen lernen, dass Mama und/oder Papa neuerdings zu Hause arbeitet und nach Möglichkeit während der Arbeit nicht gestört werden sollte. Gestalte deinen Arbeitsbereich praktisch, komfortabel und ohne „privaten Schnickschnack“. Zunächst noch ungewohnt, ist die Einrichtung ein Erfahrungsprozess. Vermeide Kabelwirrwarr. Die Transformatoren oder Ladegeräte sollten nicht im Weg oder gleich neben den Geräten liegen. Deren Pflege und Wartung sind in deiner Verantwortung.

Der Arbeitgeber muss deine Arbeitsutensilien stellen oder finanzieren, wenn es sich um eine fortwährende Homeoffice-Beschäftigung handelt. Der eigene PC sollte daher nicht gleichzeitig für den Beruf verwendet werden. Bedenke dabei, dass die zur Verfügung gestellten Arbeitsgeräte nicht dir, sondern deinem Chef gehören. In der Firma würdest deine privaten E-Mails und Unterlagen ja auch nicht speichern oder Familienmitglieder „ran lassen.“ Zum Betrieb zählen auch die Stromkosten des Homeoffice. PC, Laptop oder Notebook, Drucker und andere Geräte sind enorme Energiemäuler, die gestopft werden müssen. Das geht ins Geld. Dein Internetanschluss muss zuverlässig und schnell sein. Diese berufsbedingten Kosten trägt zumeist dein Arbeitgeber, wenn es sich nicht um eine vorübergehende Tätigkeit in der Wohnung handelt. Arbeitest du jedoch nur aufgrund der Pandemie zu Hause, sieht es weniger gut aus. Das Bundesinfektionsschutzgesetz schreibt Homeoffice-Pflicht vor. In § 28b Abs. 4 IfSG ist die Pflicht des Arbeitgebers enthalten, im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten den Beschäftigten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. 

Tipp: Benutze zwei Telefone mit unterschiedlichen Nummern: eines „Privat“ und eines für den „Job.“ Das hat zwei Vorteile: Damit wird eine Trennung herbeigeführt und die anfallenden Kosten des Büroanschlusses können exakt abgerechnet werden. Das Prozedere der gesamten Homeoffice-Kostenabrechnungen ist kompliziert und betrifft einerseits deinen Arbeitgeber, andererseits aber auch den Staat, der etwas zurückzahlen muss oder Steuererleichterungen bietet und andererseits musst auch du selbst einige Kosten selbst tragen. Die Modalitäten haben sich 2020 und 2021 geändert, für 2022 sind jedoch wieder neue Regeln in Kraft getreten: Informiere dich bei einer Fachkraft deiner Gewerkschaft oder der IHK.

Arbeitszeit ist Arbeitszeit – weil das Büro jetzt in der Wohnung ist, darf dich nicht jeder oder jede, wann immer es beliebt stören, nur weil du im Haus bist. Einen Geschäftsbrief schreiben oder die Tabellen aufmerksam führen ist nicht mit Kochen, Wäsche waschen oder Small Talk kompatibel. Das Homeoffice verführt dazu, mal eben nach den Kindern zu sehen oder dies und das privat zu erledigen. Trenne privat und Beruf. Wenn du die „Dinge“ mischt, wird es zum Stress. „Multitasking“ ist ein Mythos, der sowohl für Frauen, als für Männer gilt. Weder das weibliche noch das männliche Gehirn ist dafür geeignet. Das ist keine gedachte Behauptung, sondern wissenschaftlich eindeutig festgestellt. Räume deinen Arbeitsplatz zum Feierabend auf. Das verhindert Chaos mit weiterem Stress. Davon abgesehen sieht es besser aus und sorgt für ein gutes Gefühl. „Ich habe fertig“ - zumindest für heute. 

Im häuslichen Büro hast du keinen Weg nach Hause in die gelobte Freizeit. Nimm dir Zeit für einen Spaziergang nach der Arbeit. Improvisiere den „Weg nach Hause“, um den Tag Revue passieren zu lassen und den Kopf freizubekommen. Frische Luft ist ohnehin gesund und abschalten vom Job zwingend erforderlich. Verschaffe dir ausgleichende Momente. Im besten Fall Sport oder ein entspannendes Hobby, Geselligkeit (sofern es die Lage erlaubt), fernsehfreie Abende ohne weitere Informationsflut fürs strapazierte Hirn. Mal eine Zeit lang nichts, also gar nichts tun. Eine halbe Stunde nichts tun und über nichts nachdenken, ist Balsam für Seele.

Du brauchst keinen Coach, der oder die dir „deine Balance zwischen Beruf und Privatleben“ kostenpflichtig vermittelt. Die Strategien sind bekannt, aber die Herangehensweisen und die Forcierungen sind unterschiedlich. Das eine, phänomenal-einzigartige Rezept gibt es nicht. Du musst dich und deine individuelle Balance erfinden. Das geht nur, wenn du dich im Trubel selbst findest und dein individuelles Verhalten reflektierst. Was tut dir nachhaltig gut? Das bemerkt man schnell und schon hat man einen wichtigen Baustein für die Waage der Balance.

Um die Balance zu erreichen, bedarf es einer gleichmäßigen Verteilung die vorhandenen Energien für Beruf und Privatleben. Stelle dir vier elementare Bereiche des Lebens als Herdplatten mit einer angeschlossenen Gasflasche vor. Nach der „Four Burners Theorie“ ist das Gas so begrenzt wie deine eigene Energie. 

Ein Model besagt: Um in einem Bereich erfolgreich zu werden, muss eine „Kochplatte“ abgeschaltet werden. Wenn du „Weltklasse“ werden willst, sollte sogar auf zwei Platten verzichtet werden. Natürlich könnte man alle vier Herdplatten auf volle Pulle laufen lassen. Der Nutzen wäre aber nur von kurzer Dauer. Die Kunst liegt darin, alle „vier Herdplatten“ abwechselnd je nach Erfordernis zu „befeuern“. Eine wohlüberlegte Aufteilung ist also erforderlich. 

Wenn das Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben aus dem Gleichgewicht gerät, kann es auf Dauer mehr Schaden als Nutzen bringen. Gerade in der Selbstständigkeit – vorwiegend in der Gründungsphase – kommt es schnell zu einer Energieverschiebung. Und dein junges Unternehmertum mutiert dann zum Albtraum, wenn das Maß nicht eingehalten wird. 

Die Corona-Pandemie nötigt uns allen viel ab und veränderte zugleich die Rahmenbedingungen für eine ausgewogene Work-Life-Balance. Nichts ist mehr, wie es war, und die Änderungen sind weder beendet noch verinnerlicht und schon gar nicht umkehrbar. Eine nicht neue, aber jetzt unmittelbar für alle erkennbare Tatsache ist die nahezu uneingeschränkte Verlagerung aller Anschaffungen ins Internet. Das kann man bedauern, weil die Städte ihren Läden verlieren, aber ist es eine unaufhaltsame Entwicklung. Gleichwohl wurde während der Pandemie auch deutlich, dass ein vermeintlich sicherer Arbeitsplatz nicht mehr beständig ist. Vielleicht ist es an der Zeit, über einen Schaffenswechsel in Richtung Selbstständigkeit nachzudenken. Beispielsweise als Dropshipping-Unternehmen. Was klein beginnt, kann zu etwas Großem werden und schon das „Kleine“ würde mittelfristig ein Standardgehalt komfortabel ersetzen. 

17 Februar 2022