Die mentale Buchführung

Ein Euro bleibt eigentlich immer ein Euro – ganz gleich wofür wir ihn ausgeben. Trotzdem bewerten wir diesen Euro von Situation zu Situation völlig unterschiedlich und betreiben „Mentale Buchführung“. So bezeichnet der Nobelpreisträger Richard H. Thaler, dem im Jahr 2017 der Nobelpreis für Wirtschaft verliehen wurde, dieses Phänomen. Jeder von uns, sagt er, führt „mental Buch“. Doch was ist damit genau gemeint?


Um dieses Phänomen zu verstehen, stell dir dir folgenden Fragen:


– Du stehst an der Konzertkasse und merkst, dass du dein im Vorverkauf erworbenes Ticket verloren hast. Kaufst du ein neues oder gehst du nach Hause?

– Du hast ein Auto und fährst nur ab und zu damit zum Einkaufen und zur Reinigung. Verkaufst du dein Auto und fährst die wenigen Male Taxi, was viel billiger kommen würde?

– Du siehst eine teure Uhr oder ein teures Kleid und kaufst das teil nicht, weil es viel zu teuer ist. Dein Partner schenkt es dir zum Geburtstag, ihr habt ein Gemeinschaftskonto. Freust du dich darüber oder nicht?

– Du kannst mit Karte zahlen oder bar. Wann fällt dir die Ausgabe leichter?


Diese Fragen verdeutlichen, dass unsere Denkweise oft nicht von Logik geprägt ist. Es tut zum Beispiel den meisten weniger weh, mit EC-Karte zu bezahlen, als die Geldscheine real aus der Hand zu geben. Dabei hat beides den gleichen Wert. Auch würden die meisten das eigene Auto behalten, da Taxi fahren in den meisten Köpfen als unnötige, teure Ausgabe verankert ist. Auch wenn sie mit dem eigenen Auto im Schnitt dann wesentlich mehr bezahlen.


Und auch unternehmerisch gibt es dahingehend Fehlentwicklungen. Wenn eine dringende Ausgabe beispielsweise nicht möglich ist, weil in anderen Bereichen bedenkenlos das Geld ausgegeben wurde, ist es an der Zeit, umzudenken.


Diese fünf nützlichen Tipps helfen dir dabei, deine mentale Buchführung zu optimieren:


  1. Werde dir darüber bewusst, dass du mentale Buchführung betreibst und steure deine Gedanken. Bilde Budgets für einzelne Geschäftsbereiche und wenn nötig für eigene Konten. Das kannst du sowohl für dein Business als auch für deine privaten Ausgaben tun.
  2. Bilde verschiedene Ebenen für laufende Ausgaben, Sparvorgänge und für langfristige Ziele. Trenne hier zum Beispiel dein laufendes Konto, dein Rücklagenkonto und dein Vorsorge-Konto.
  3. Lass lediglich einen festgelegten Betrag auf deinem Konto für laufende Ausgaben und buche direkt zum Monatsanfang deinen fest definierten Sparbetrag ab auf ein separates Sparkonto.
  4. Automatisiere diese Vorgänge durch Daueraufträge – so kommst du nicht in Versuchung, diese Buchungen zu „vergessen“.
  5. Betrachte in regelmäßigen Abständen das große Ganze und überlege: Wo kannst du sparen und wo verschwendest du Geld?


Mentale Buchführung und Geldanlage


Auch in der Geldanlage beeinflusst die mentale Geldanlage unser Vorgehen. Ein wesentlicher Faktor ist, dass wir Gewinne und Verluste nicht gleich schwerwiegend wahrnehmen. Das belegt die Verhaltensforschung vom Nobelpreisträger Daniel Kahnemann. Er hat in seinem Experiment festgestellt, dass Verluste für Menschen schwerer wiegen als Gewinne. Vereinfacht erklärt bedeutet das, dass die Freude an einem Gewinn von 100 Euro nur halb so viel wiegt wie ein Verlust von 100 Euro. Der psychologische Hintergrund dabei ist der sogenannte „Endowment-Effekt“, unser Besitzstandsdenken. Es fällt uns schwer, etwas wegzugeben, was wir bereits besitzen. Dieses Denken kann uns jedoch daran hindern, Geld für sinnvolle Investitionen auszugeben.


Auch wenn es um Wertpapiere geht, verfahren wir oft nach dem Motto: „Mitnehmen was geht“ und verkaufen viel zu schnell, wenn Gewinne vorhanden sind. Verluste werden dagegen oft viel zu lange gehalten, da die Hemmung zu groß ist, diese einzugehen. Ganz nach nach dem Motto: „Der Verlust ist erst da, wenn er realisiert ist.“ So lassen viele Anleger ihre Depot-Leichen so lange liegen, bis sie völlig zusammen gebrochen sind.


Wenn wir unsere mentale Buchführung überlisten würden und logisch handeln, wäre es sinnvoller, wenn wir umgekehrt agieren und Gewinne weiter laufen lassen und Verluste sofort begrenzen. So nimmst du Gewinne möglichst maximal mit und verhinderst, dass negative Abwärtstrends größeren Schaden anrichten.

23 Juni 2021