E-Commerce-Trends aus China

„China“ steht schon längst mehr nicht mehr nur für das Kopieren und Nachahmen von Produkten, Geschäftsmodellen und Trends – im Gegenteil, insbesondere was Tendenzen und Entwicklungen im E-Commerce-Bereich angeht, ist China zu einem der wichtigsten und relevantesten Länder geworden. Ein Blick nach Fernost zeigt oftmals die Zukunft der Branche und die kommenden Entwicklungen auch für Europa. Die chinesischen E-Commerce-Trends beeinflussen und inspirieren auch die hiesigen Marken, Händler und Unternehmer. Wir nehmen deshalb im folgenden fünf innovative E-Commerce-Trends aus China unter die Lupe.


1. Weg vom Key Opinion Leader, hin zum Key Opinion Consumer


In den vergangenen Jahren waren Key Opinion Leader, also das gängige Influencer-Marketing, ein wichtiges Marketing-Instrument für Unternehmen und Marken. Dieser Trend scheint nun, zumindest in China, seinen Zenit überschritten zu haben. Dort werden jetzt „normale Verbraucher“ immer relevanter, die sogenannten Key Opinion Consumer (KOCs). Diese haben keine bemerkenswert große Follower-Gemeinde, sondern nur wenige hunderte. Sie geben über Bewertungsportale und über eigene Webseiten Produktbewertungen ab und empfehlen Artikel oder Dienstleistungen weiter. Diese unabhängigen Bewertungen wirken authentischer und glaubwürdiger als von Influencern empfohlene Produkte. Denn das Bewusstsein der Kunden, dass Influencer für Produktempfehlungen bezahlt werden, wächst stetig. Empfehlungen und Bewertungen von KOCs erscheinen den Kunden dagegen glaubwürdig und haben so einen großen Einfluss auf Kaufentscheidungen und das Kaufverhalten. Chinesische Marken binden diese deshalb bereits jetzt verstärkt in ihre Markenstrategie ein. KOCs können dabei helfen, das Markenbild positiv zu beeinflussen, Verkäufe anzukurbeln und die Marke zu stärken. Willst auch du deine potenziellen Kunden zukünftig noch effizienter zum Kauf bewegen? Dann behalte den KOC-Trend im Auge!


2. Gruppenkäufe


Im Jahr 2020 werden chinesische E-Commerce-Plattformen noch mehr Möglichkeiten für sogenannte Gruppenkäufe schaffen. Mithilfe von Gruppenkäufen können Produkte oder Dienstleistungen zu deutlich niedrigeren Preisen gekauft werden. Voraussetzung: Gleich mehrere Verbraucher erwerben eine Mindeststückzahl. Gruppenkäufe sind insbesondere für Chinesen aus einkommensschwächeren Städten und Gebieten attraktiv, diese erhalten so auch mit begrenztem Budget Zugriff auf begehrte Produkte.

Einige Handelsplattformen haben sich bereits jetzt auf das Gruppenkaufmodell spezialisiert, zum Beispiel Pinduoduo, JD.com (via Jingxi) und Alibaba (via Juhuasuan). Der Erfolg gibt dem Modell recht – am Single´s Day Shopping Festival 2019 erhielten 576 Produkte über Juhuasuan innerhalb der ersten zwei Stunden über 10 Millionen Bestellungen. Die Handelsplattform JD.com berichtete außerdem, dass über 40 Prozent der Neukunden über Jingxi kamen.


Der Vorteil von Gruppenkäufen für Unternehmen: Gruppenkäufe bieten für Unternehmen die Chance, in einkommensschwächere Gebiete zu expandieren, die Produkte einer breiten Masse zugänglich zu machen und schnell Lagerbestände zu leeren.


3. Recommerce wird groß


In Europa ist Recommerce längst angekommen, in China war der Online-Handel mit Second-Hand-Ware bisher jedoch ein Tabu. Das ändert sich jetzt. Die Bereitschaft der Chinesen, gebrauchte Waren zu kaufen steigt massiv an: Über 51 Prozent sind mittlerweile bereit, Produkte zu mieten oder zu kaufen. Dieser Trend macht sich auch in Zahlen bemerkbar. Der Recommerce-Markt in China wird 2020 voraussichtlich über 1 Milliarde RMB wert sein – das entspricht rund 132 Millionen Euro. Im Jahr 2017 waren es nur etwa 500 Millionen RMB, also 60 Millionen Euro. Die führenden Second-Hand-Apps in China sind Xianyu und Zhuan Zhuan, mit über 24,4 bzw. 11,4 Millionen Nutzern.

Auch wenn der Second-Hand-Trend hier bereits besteht, behalte diesen im Hinterkopf. Denn der Trend zu gebrauchten Waren kann sich zukünftig langsam auf die Anzahl neuer verkaufter Produkte auswirken, wenn viele Kunden die Alternative zu gebrauchten Waren nutzen. Eine Möglichkeit, den Trend für das eigene Business aufzugreifen, ist eine Erweiterung der Produktpalette um gebrauchte oder generalüberholte Produkte.


4. Der Trend zum Consumer-to-Manufacturer-Modell


Das Consumer-to-Manufaturer-Modell (C2M) ermöglicht es Unternehmen, direkt auf Kundenwünsche und -bedürfnisse einzugehen. Marken und Hersteller sammeln Kundendaten, analysieren Verbrauchsmerkmale und setzen diese im Produktdesign dementsprechend um. So werden Produkte exakt an Verbraucherbedürfnisse angepasst und die Produktion entsprechend geplant.

Die chinesische Handelsplattform JD.com setzt C2M schon sehr gezielt ein und arbeitet mit unterschiedlichen Herstellern aus verschiedenen Bereichen (Technik, Haushalt, Konsumgüter etc.) zusammen. Das Feedback und Kundendaten werden an die Hersteller weitergegeben, damit diese ihre Produkte anhand der Kundenwünsche entsprechend anpassen und weiterentwickeln können. In den kommenden Jahren sollen so über 100 Millionen C2M-Produkte produziert werden.


Und die auf Kundenbedürfnisse zugeschnittenen Produkte überzeugen: In der ersten Stunde nach Verkaufsstart sind auf der Plattform Juhuasan über 50 Millionen C2M-Bestellungen eingegangen, nach dem Singles Day waren es bereits über 170 Millionen C2M-Aufträge.

5. Online-to-offline


Chinesische Verbraucher wünschen sich zunehmend eine Kombination aus Offline- und Online-Konsum. Produkte werden so zum Beispiel erst offline real im Store betrachtet und getestet und anschließend im Internet oder über Apps bestellt. Oder die Konsumenten suchen erst im Netz nach einem passenden Produkt und fahren dann in einen Shop, um sich das Produkt vor dem Kauf live anzusehen.

Perfektioniert hat die Online-to-Offline (O2O) Strategie der Versandriese JD.com. Der Online-Händler eröffnete erst Ende 2019 einen gigantischen, 50.000 m2 großen E-Space-Store in Chongqing – mit mehr als 200.000 Produkten und 1.500 Marken. Bereits am Tag der Eröffnung besuchten über 30.000 Kunden den Store – mehr als 10 Millionen RMB (1,3 Millionen Euro) wurden dabei umgesetzt. Alle Artikel im Store sind mit einem QR-Code ausgestattet, der die Kunden beim Scannen sofort in den WeChat-Minishop von JD.com zum jeweiligen Produkt führt. Auch ein digitales Preisschild am Artikel eröffnet ganz neue Möglichkeiten, denn Preise können mit einem Klick online und offline synchronisiert und geändert werden.


Insbesondere beim Kauf von großen Artikeln, Möbeln oder zum Beispiel Waschmaschinen ist O2O sinnvoll – denn Käufer können die Produkte erst offline ausgiebig testen und ansehen, bevor sie sich dann bequem nach Hause liefern lassen.

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Die fünf vorangegangenen Trends werden voraussichtlich in den kommenden Jahren auch Europa mehr und mehr erobern. Hast du einen Trend entdeckt, den auch du für dein Dropshipping Business nutzen kannst? Dann mach dir jetzt schon mal einen Plan, wie du damit durchstartest! Wir drücken die Daumen!

28 Juni 2021