Exklusives Steuerberater-Interview: Dropshipping richtig versteuern
Lieber Herr Marcus Ermers welche Mandate sind bei Ihnen typisch?
Können sich Dropshipping-Unternehmer bei Ihnen Hilfe einholen?
Ich betreue fast ausschließlich Unternehmer im E-Commerce-Bereich. Hierunter sind auch sehr viele, die im Bereich „Dropshipping“ angesiedelt sind.
Sie haben eine erstaunliche Expertise im Bereich Dropshipping/ Streckenversand, wie kam es dazu?
Ich habe neben meinem betriebswirtschaftlichen Studium auch ein Wirtschaftsinformatik-Studium absolviert. Insofern war mein Faible neben dem Steuerrecht auch die Informatik. Da es sich im Bereich E-Commerce sehr viel um Schnittstellenfragen „dreht“, war naheliegend, dass ich mich dieser Gruppe speziell widme. Zudem habe ich eine besondere Neigung für die Umsatzsteuer; ich bin auch Mitautor bei einem Praktikerkommentar aus dem HDS-Verlag. Und – da im E-Commerce sehr viele umsatzsteuerliche Besonderheiten zu beachten sind, habe ich dort einen Schwerpunkt gesetzt.
Welche rechtlichen Besonderheiten oder Fallstricke sehen Sie bei Dropshipping innerhalb von Europa?
Dropshipping heißt ja eigentlich: Kettengeschäft bzw. Reihengeschäft. Also – vereinfacht gesprochen – sobald der Endkunde das Produkt im Online-Shop bestellt und bezahlt hat, kauft der Dropshipper das Produkt bei dem Hersteller, beziehungsweise Großhändler und gibt als Empfänger den Endkunden an. Das größte Problem dadurch ist: Ich kann wenig Einfluss auf die Kundenzufriedenheit nehmen! Es ist irrelevant, wie gut und benutzerfreundlich der Online-Shop ist, wenn der Großhändler das Paket nicht rechtzeitig abschickt, der Versand zu lange dauert, das Produkt beschädigt ist oder die Sendung im schlimmsten Falle gar nicht erst ankommt.
Welche rechtlichen Besonderheiten sehen Sie speziell mit Drittländern wie China?
Hier gestaltet sich die Problemlösung deutlich schwieriger, wenn man nicht weiß, wo die Lieferung gerade feststeckt und der Großhändler nicht erreichbar ist. Oft ist die einfachste Option die Rückerstattung des Geldes und diesen Rückschlag hinzunehmen.
Gibt es einen Unterschied zwischen einem Reihengeschäft und einem Dreiecksgeschäft? Und was greift speziell bei Dropshipping? Gibt es hierfür einen speziellen Paragrafen?
Ein Reihengeschäft – nach der neuen Vorschrift des § 3 Abs. 6a UStG – ist:
• eine vom ersten Unternehmer zum letzten Abnehmer unmittelbare Beförderung oder Versendung eines Gegenstandes,
• über den mehrere Unternehmer Umsatzgeschäfte abschließen,
• wobei die Transportverantwortlichkeit ausschließlich bei einem Unternehmer liegt.
Somit liegen mind. 2 Lieferungen vor und das Problem ist, dass die eine Lieferung eine „bewegte Lieferung“ und die andere (oder anderen) sind sog. „unbewegte Lieferungen“
Hingegen gibt es eine innergemeinschaftliche Vereinfachungsregelung für sog. Dreiecksgeschäfte gem. § 25b UStG. Hier wird im Ergebnis vermieden, dass eine steuerliche Registrierung des mittleren Unternehmers im Bestimmungsland erfolgen muss.
§ 25b Abs. 1 UStG legt die Voraussetzungen für ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft fest. Danach liegt ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft nur dann vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
• drei Unternehmer schließen über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und dieser Gegenstand gelangt unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer;
• die Unternehmer sind jeweils in verschiedenen Mitgliedstaaten für Zwecke der USt erfasst;
• der Liefergegenstand gelangt aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und
• der Liefergegenstand wird durch den ersten Lieferer oder den ersten Abnehmer befördert oder versendet.
Besteht eine Inventurpflicht bei Dropshipping-Händlern?
Hier muss differenziert geantwortet werden. Grundsätzlich besteht eine Inventur- bzw. Inventarpflicht nur für Kaufleute, die ein Handelsgewerbe betreiben. Das heißt, wenn ich verpflichtet bin, den Gewinn durch den Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 bzw. § 5 EStG zu ermitteln, besteht eine Inventur- bzw. Inventarpflicht.
Inventurpflicht gibt es jedoch nur für Waren im Umlaufvermögen. D.h., die Ware, die am 31.12. zu deinem Umlaufvermögen gehört. Beim Dropshipping ist das in aller Regel 0; bis auf ein paar Spezialfälle. Aber diese Spezialfälle sind etwas für die Steuerberaterprüfung.
Ermittele ich hingegen meinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs 3 EStG besteht grundsätzlich keine Inventurpflicht.
Gibt es einen Unterschied, ob der Verkäufer eine Umsatzsteuer-ID im Heimatland hat oder nicht?
Grundsätzlich empfehle ich jedem Unternehmer eine Umsatzsteuer-ID zu beantragen. Im Folgenden einige Beispiele.
Ein deutscher Dropshipping-Händler bestellt bei seinem deutschen Lieferanten. Der Lieferant liefert das Paket direkt an den deutschen Kunden. Wer zahlt die Umsatzsteuer?
Hier liegt ein sog. Reihengeschäft vor. Hier macht es überhaupt keinen Unterschied, ob eine USt-ID-Nummer vorliegt oder nicht. Es fällt auf jeder Ebene (zwei Lieferungen) Umsatzsteuer an.
Ein deutscher Dropshipping-Händler bestellt bei seinem deutschen Lieferanten. Der Lieferant liefert das Paket nun aber direkt an den spanischen Endkunden (z.B Amazon). Wer zahlt die Umsatzsteuer?
Hier liegt ein sog. Reihengeschäft vor.
Zunächst: Beurteilung der Lieferung den ersten Lieferers (gemeint ist hier der deutsche Lieferant):
Ort der Beförderungs- oder Versendungslieferung (bewegte Lieferung) des ersten Unternehmers an den ersten Abnehmer in der Reihe liegt im Inland, da dort die Warenbewegung beginnt (§ 3 Abs. 6a UStG): Die Lieferung ist dort steuerbar und steuerpflichtig.
Beurteilung des Erwerbs des ersten Abnehmers:
Der innergemeinschaftliche Erwerb ist gleichwohl für den ersten Abnehmer im Bestimmungsmitgliedsstaat nach den dort geltenden Vorschriften steuerbar und steuerpflichtig, da sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung dort befindet.
Beurteilung der Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen:
Ort der Lieferung, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgt (ruhende Lieferung), ist dort, wo die Warenbewegung endet: Der Lieferer muss sich daher im anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer registrieren lassen. Die Lieferung ist dort steuerbar und steuerpflichtig.
Ein deutscher Dropshipping-Händler bestellt bei einem spanischen Lieferanten. Der spanische Lieferant liefert das Paket direkt an den italienischen Endkunden (des Dropshipping-Händlers). Wer zahlt die Umsatzsteuer?
Hier liegt ebenfalls ein sog. Reihengeschäft vor. Beurteilung aus der Sicht des ersten Lieferers: Ort der Beförderungs- oder Versendungslieferung (bewegte Lieferung) des ersten Unternehmers an den ersten Abnehmer in der Reihe liegt in dem Mitgliedstaat, in dem die Warenbewegung beginnt: Der Lieferer muss sich daher im anderen Mitgliedstaat, in dem die Warenbewegung beginnt, für Zwecke der Umsatzsteuer registrieren lassen. Die Beförderungs- oder Versendungslieferung ist dort steuerbar und steuerpflichtig. Der Erwerber verwendet nicht eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsland des Gegenstandes erteilt worden ist.
Beurteilung aus der Sicht des ersten Abnehmers:
Der innergemeinschaftliche Erwerb ist für den ersten Abnehmer im Bestimmungsland steuerbar und steuerpflichtig, da sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung dort befindet
Beurteilung der Lieferung, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgt:
Der Ort der Lieferung, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgt (ruhende Lieferung) liegt im Bestimmungsland, da dort die Warenbewegung endet: Der Lieferer (erster Abnehmer) muss sich daher im Bestimmungsland für Zwecke der Umsatzsteuer registrieren lassen. Die Lieferung ist dort steuerbar und steuerpflichtig.
Gibt es Besonderheiten für Kleinunternehmer §19 im Bereich Dropshipping?
Ich empfehle im Bereich E-Commerce die Kleinunternehmerregelung nicht zu nutzen. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen ist die Umsatzgrenze von derzeit 22.000 EUR sehr gering und wenn man dann an die Marge denkt, ist der Ertrag/Gewinn doch sehr klein. Zudem hat der Kleinunternehmer keinen Vorsteuerabzug. Dies trifft ihn insbesondere in solchen Fällen wo er Waren/Dienstleistungen von einem Unternehmer bezieht. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Regelung des §13b UStG (= Wechsel der Steuerschuldnerschaft), also d.h., wenn man Leistungen bezieht von einem ausländischen Unternehmer (z.B. Facebook oder Amazon), dass ich dann trotzdem die Umsatzsteuer abführen muss, aber natürlich keinen Vorsteuerabzug habe.
Wie verhält sich das bei Drittländern, wie z.B. der Schweiz? Zölle? Umsatzsteuer?
Bei Lieferungen in die Schweiz können sich folgende Probleme ergeben:
1. Der Zoll kann eines werden. Dies darf nicht unterschätzt werden.
2. Währungsumrechnungen sind ein weiteres Problem, da der Franken eine teure Währung ist. Auch Rückgaben von online bestellten Waren können eine Rolle spielen.
Welche rechtlichen Besonderheiten sehen Sie speziell mit Drittländern wie China?
Also, wenn ein deutscher Verkäufer bei einem chinesischen Lieferanten bestellt und dieser direkt den Kunden in Deutschland beliefert.
Hier sehe ich insbesondere zwei Probleme:
1. Zoll: Der Zoll kann, ohne es anmelden zu müssen alle Pakete aufmachen, durchsuchen und untersuchen. Das kann die Lieferzeit massiv verzögern. Vor allem im europäischen Bereich gibt es häufig Probleme mit dem Zoll. Wenn der Warenwert falsch deklariert wurde, muss zudem eine extra Gebühr vom Kunden bezahlt werden. Das ist vor allem bei Produkten im höheren Preisniveau der Fall.
2. Haftung: Im Endeffekt haftet der Dropshipper für alle Risiken, die mit dem Produkt zusammenhängen. Wenn z.B. gewisse Farbstoffe nicht CE zertifiziert sind, kann das zu großen Problemen führen. Vor allem im Bereich der Gesundheit kann das sehr kritisch sein. Viele Produkte aus China sind gefälscht oder verstoßen gegen viele Gesetze in Bezug auf Markenrecht. Im Endeffekt haftet man selbst als Wiederverkäufer wieder dafür. Zahlreiche große Stores wurden bereits abgemahnt, weil deren Betreiber zu unachtsam waren und die Produkte hinsichtlich der Markenrechte nicht geprüft haben.
Ist es für Dropshipper im EU-Ausland zwingend notwendig einen Fiskalvertreter zu haben? Wenn ja, was macht dieser? Und worauf sollte ich bei der Auswahl achten?
Der Begriff der Fiskalvertretung ist ein Begriff, der sich aus der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ergibt (Art. 204 und 205 MwStSystRL); die nationale Vorschrift hierzu steht in den Vorschriften §§ 22a-22e UStG. Ob ein Fiskalvertreter zu bestellen ist, bestimmt jedes Land. So ist z.B. in Österreich keine Fiskalvertretungspflicht; daher können wir – nachdem eine einmalige Registrierung erfolgte – die umsatzsteuerlichen Meldungen von hier (Deutschland) aus durchführen.
Ein Fiskalvertreter macht gleichwohl Sinn, denn er kennt die „lokalen“ Besonderheiten sehr gut: Er übernimmt sämtliche Aufgaben im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer. Dies ist z.B. in Polen sehr wichtig, da dort sehr schnell sehr starke Sanktionen verhängt werden, wenn man seinen steuerlichen Pflichten nicht rechtzeitig und vollständig nachkommt. Zudem ist er auch unterstützend tätig bei Meldungen für statistische Zwecke etc.
Ist die zusammenfassende Interpretation korrekt, dass ich bereits ab dem ersten Umsatz-Euro eine Umsatzsteuer-Nummer im Zielland des Warenempfängers anmelden muss? Ich genieße also keine Freigrenzen wie oft von Gurus beha
uptet?
Richtig!
Zum Abschluss: Wie und wo kann man Sie am besten erreichen? Und muss ich als Kunde bei Ihnen Vorort vorbeikommen oder geht dies auch telefonisch / online?
Meine Kontaktdaten sind: https://marcusermers.de oder https://kuepper-kollegen.de
Mailadresse: info@marcusermers.de
Gerne können Sie auf meiner Website auch einen Termin vereinbaren.
Die allermeisten Termine laufen bei uns „online“, sei es also über Telefon, zoom-Call, E-Mail, WhatsApp etc.