Frauen im E-Commerce

Von Jasmin Hoffmann

Wir stehen bei Demonstrationen in vorderster Reihe unseren Mann, fahren Streifenwagen, Busse und Wasserwerfer. Wir kämpfen am Hindukusch oder bergen im THW oder für das DRK Verschüttete in den entlegenen Regionen dieser Welt. Wir jagen Mörder oder Betrüger und sprechen in höchster Kompetenz Recht, gleichwohl sind wir in Operationssälen modernster Kliniken lebensrettend aktiv und einige fliegen sogar durchs Weltall. Selbst die Wahl zur Bundeskanzlerin oder in den Vorstand eines Weltkonzerns sind zwar noch seltene, aber keine aufsehenerregenden Berufungen mehr. Obwohl Männer überall dominieren, sind Frauen in unserem Kulturkreis ein fester Bestandteil der Berufswelt. Abgesehen vom E-Commerce.

Der Onlinehandel fasziniert weibliche Käuferinnen nur beim Stöbern im digitalen Warenkatalog. Dabei bemerken die wenigsten, dass die Artikelangebote von der konträren Gattung stammen. Männer berücksichtigen unterschiedliches Kaufverhalten der Geschlechter und präsentieren ihren Verkaufsreigen zumeist nach allen Regeln des Gender-Marketings. Das machen sie mal gut und mal schlechter, meistens jedoch unvollkommen. Dennoch kaufen Frauen in Onlineshops, aber verkaufen scheint bloß in stationären Geschäften mit vis-à-vis Kundenkontakt „ihr Ding“ zu sein. Dabei wissen wir, dass Frauen nicht nur ein anderes Kaufverhalten haben, sondern auch unterschiedliche Ansprüche an die Präsentation und deren Informationen stellen. Trotzdem überlassen wir dieses Geschäftsfeld nahezu vollständig der männlichen Gattung.

Bits und Bytes scheinen Frauen noch zu erschrecken. Das zeigt schon die Anzahl der Beschäftigten in großen Unternehmen wie Apple oder Google. Nur durchschnittlich 21 Prozent der IT-Fachkräfte sind weiblich. Dabei bedarf es „hinter dem Verkaufstresen“ des Onlinehandels keines ausgeprägten IT-Wissens. Clevere Programme übernehmen die komplexen Vorgänge und um bedienen zu können, muss man kein aufwendiges Studium absolvieren. Dass die E-Commerce-Branche nicht nur eine Männerdomäne ist, sondern kaufmännisch spezielles und weit weniger technisches Know-how erfordert, erkannten auch die Groß- und Einzelhandelsverbände und schufen einen neuen Beruf: Seit 2018 ist Kauffrau und Kaufmann im E-Commerce ein Ausbildungsberuf. Die Industrie und Handelskammern informieren auf ihren Berufsseiten detailliert darüber. Die Wahl des zukunftsorientierten Jobs kann also stattfinden und Ausbildungsplätze sind nicht so rar, wie man vermutet. Wesentlich rarer als Auszubildende und angestellte Frauen in der digitalen Handelswelt sind Unternehmerinnen. Schon den Schritt in die Selbstständigkeit wagen nicht viele Damen und noch weniger gründen Firmen im E-Commerce. Nur langsam ändert sich das Geschlechterverhältnis im Markt der kleinen Internetshops, was auch aus entstandenen Homeoffice-Erfahrungen resultiert, die sich mit der Erkenntnis verbündeten, dass kein Job wirklich sicher ist.

2020 waren schon 38 % aller Onlinegründungen in weiblicher Hand. Der größte Anteil startete freiberuflich. Online-Business beschränkt sich dabei zumeist auf eine Homepage mit einem Leistungsangebot oder auf den dazugehörigen Shop für von Hand gefertigte Produkte mit Bio-Kost oder Schmuck und Kleidung. Lediglich knapp 4 % gründeten Start-ups im „Big Business“ des E-Commerce Markts. Am „großen Rad“ drehen nur wenige Gründerinnen wie Franziska von Hardenberg (Bloomy-days) oder Lea Sophie Kramer (Amorelie). Doch der riesige Coup muss es gar nicht sein. Besonders die Dropshipping- Branche eignet sich für toughe Gründerinnen zum Start in die Selbstständigkeit ohne riskante Finanzierungen und mit Arbeitszeiten nach eigenen Regeln. Dein Laden und dein Büro sind dort, wo du grad bist. W-Lan vorausgesetzt kann die Firma an jedem Ort der Welt betrieben werden. Ob in der Wohnung, im Stadtpark, am Kinderspielplatz oder in idyllischer Natur: Streckengeschäfte sind mit jeder Lebensart vereinbar, gleichwohl mit allen individuellen Erfordernissen. Das macht Dropshipping sogar für Alleinerziehende ideal. Kind, Haushalt, Familie und Job unter einem Hut zu bekommen, ist ansonsten nur schwer machbar. Meine Empfehlung an modern denkende Damen mit kaufmännischem Gespür: Informiert euch: Das vermeintlich Schwierige ist manchmal viel einfacher als angenommen. Erkundet fremde Galaxien im Kosmos der digitalen Möglichkeiten. Die Macht sei mit euch!


Was ist Dropshipping?
Dieser moderne Begriff steht für eine schon sehr alte Handelsform: das Streckengeschäft.
Der Einzelhändler verfügt über ein Warenangebot, ohne die Artikel selbst einzukaufen, wodurch weder Beschaffungs- noch Lagerkosten anfallen. Im wahrsten Sinne des Wortes „handelt“ es sich um ein komfortables und risikofreies Geschäft, das sich für jede/n eignet. 

Die Autorin:
Jasmin Hoffmann (27) gründete als Seiteneinsteigerin vier erfolgreiche E-Commerce-Unternehmen und bietet unter anderem Beratungen und Schulungen speziell im Dropshipping-Markt für Frauen an: https://www.expertise.rocks/jasmin


02 März 2022