Mit Private Label Brand zum Erfolg!

Im 20. Jahrhundert war das Thema Marke ganz stark mit großen internationalen Konzernen verbunden. Mit dem Internet hat sich das radikal verändert. So sind im 21. Jahrhundert die großen Marken-Heros immer öfter Start-up-Unternehmen, die von null weg starteten. Dropshipping Magazine sprach über diese Entwicklung und wie man heute als Gründer starke Marken baut, mit dem Markenexperten und Ries Global Partner Michael Brandtner.


Dropshipping Magazine: In Ihrem aktuellen Buch „Markenpositionierung im 21. Jahrhundert“ schreiben Sie über drei fundamentale Veränderungen in unserer Wirtschaft, nämlich die Globalisierung, die Digitalisierung und die neue Welt der disruptiven Geschäftsmodelle. Was genau bedeutet das für Unternehmen oder Unternehmer?


Brandtner: Für viele große und etablierte Unternehmen bedeuten diese drei Veränderungen Gƒfefahr und Krise. Manche denken jetzt vielleicht spontan an Nokia, Kodak oder auch an viele stationäre Handelsunternehmen, die durch das Internet massiv unter Druck kommen. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass genau diese drei Entwicklungen speziell für Unternehmer, oder moderner ausgedrückt für Start-up-Unternehmer eine enorme Chance sind, um neue Geschäftsmodelle und Marken zu bauen. Dies spiegelt sich auch ganz klar in der Welt der Marken wider. Hier haben Unternehmer nicht nur mit dem Internet neue Marken gebaut, sondern letztendlich ganze Märkte verändert.


Dropshipping Magazine: An welche Marken oder Beispiele denken Sie dabei konkret?

Brandtner: Dazu genügt ein Blick in die Top 100 der wertvollsten globalen Marken laut Interbrand. Hier finden Sie bereits 13 Marken, die von Unternehmern gegründet mit dem Internet groß wurden, nämlich: Amazon (Rang 2), Google (Rang 4), Facebook (Rang 13), Instagram (Platz 19), YouTube (Rang 30), Netflix (Platz 41), Ebay (Platz 46), Salesforce (Platz 58), PayPal (Rang 60), Spotify (Platz 70), LinkedIn (Platz 90), Uber (Platz 96) und Zoom (Platz 100). Diese Marken haben zudem eine große Gemeinsamkeit. Sie besitzen ihren Markt in der Wahrnehmung der Kunden.


Dropshipping Magazine: Was genau meinen Sie damit, dass ein Unternehmen einen Markt in den Köpfen der Kunden besitzt?


Brandtner: Damit sind wir beim Phänomen oder Erfolgsprinzip Marke. Starke Marken besitzen vereinfacht ausgedrückt eine „Kaufentscheidung“ in der Wahrnehmung der Kunden. Sie denken an Einkaufen im Internet. Sie denken an Amazon. Sie denken an Suche im Internet. Sie denken an Google. Sie denken an Videostreaming. Sie denken an Netflix. Sie denken an Musikstreaming. Sie denken an Spotify. Das heißt: Eine Marke ist ein Eigenname, der eine spezifische Bedeutung in den Köpfen der Kunden hat.


Dropshipping Magazine: Jetzt mag dies ja für große Marken gelten, aber wie genau kann jetzt wirklich ein Unternehmer oder eine Unternehmerin davon profitieren?


Brandtner: Dazu sollte man die Geschichte dieser Marken studieren. Keine dieser „Megabrands“ kam als große Marke auf die Welt. Nehmen Sie etwa Facebook! Als Mark Zuckerberg Facebook gründete, gab es bereits zwei ziemlich große soziale Netzwerke, nämlich MySpace und Friendster. So gesehen wäre er wahrscheinlich grandios gescheitert, wenn er ein weiteres soziales Netzwerk lanciert hätte. Was machte er also? Er schuf sich eine eigene Marktführerschaft, indem er seinen Markt auf Harvard, also die Universität Harvard reduzierte. So war Facebook zuerst „nur“ das soziale Netzwerk für Harvard. Das war die Markenbasis, um dann darauf aufbauend das soziale Netzwerk für amerikanische Universitäten zu werden, dann für Universitäten und dann für alle. Er bewegte sich immer von einer Marktführerschaft zur Nächsten.


Dropshipping Magazine: Das heißt also, dass man sich zu Beginn einmal genau überlegen sollte, welche Nische man im Internet besetzen möchte?


Brandtner: Genau! Wenn ich mit Start-up-Unternehmen arbeite, lautet oft meine erste Frage in Anlehnung an Facebook: „Was ist Ihr „Harvard“?“ So gibt es zwei wesentliche Gründe, warum Start-up-Unternehmen scheitern: (1) Sie möchten gerne so sein wie eine andere große Marke. Nur das funktioniert nicht, denn dann ist man nur ein weiterer Anbieter. (2) Man möchte zu viel auf einmal. Unternehmen scheitern nicht – so pervers das klingen mag – am zu kleinen Markt, sondern in der Regel am zu großen Markt, in dem man sich verliert.


Dropshipping Magazine: Welche Ansatzpunkte gibt es nun für Start-up-Unternehmen, um dieses „Harvard“ zu finden?


Brandtner: Aus Markensicht gibt es drei Basisansätze dazu: (1) Sie kreieren eine Produkt- und Dienstleistungskategorie á la Amazon als erste Internetbuchhandlung, (2) Sie studieren den etablierten Wettbewerb, um dann die genau gegenteilige Position einzunehmen, und (3) Sie fokussieren auf eine freie Nische. Das kann eine Produkt- bzw. Dienstleistungsnische oder auch eine Zielgruppennische oder eine Kombination aus beiden sein. So entstehen speziell im Internet Marken oft auch aus Communitys heraus, wo ähnliche Menschen ähnliche spezifische Bedürfnisse oder Wünsche haben. Entscheidend aber ist immer dabei, dass die angestrebte Idee noch von keinem anderen Unternehmen mental besetzt ist. Es geht darum, dass man selbst von Anfang an eine Top-of-Mind-Positionierung einnimmt.


Dropshipping Magazine: Können Sie das unseren Leser und Leserinnen an einem Beispiel oder einer Branche näher erklären?


Brandtner: Nehmen wir gleich einmal den Internethandel! Sie denken, wie bereits erwähnt, an Einkaufen im Internet, Sie denken an Amazon. Was machte man bei Zalando? Man fokussierte zuerst auf Schuhe und dann auf Mode, um sich eine eigene Spitzenstellung in der Wahrnehmung der Kunden zu schaffen. Sie denken an Modeeinkauf im Internet. Sie denken an Zalando. Was machte Net-A-Porter? Man fokussierte auf Luxus- und Premiummode im Internet. Was machte MyTheresa zum Start: Man fokussierte auf Luxus- und Premiummode nur für Frauen.


Dropshipping Magazine: Das heißt, je später man in einen Markt einsteigt, desto spezieller sollte man werden.


Brandtner: Nicht nur! Denn hier kommt ein zweiter Faktor des Internets hinzu. Als globales Medium erlaubt das Internet eine Spezialisierung, die vorher so nie möglich gewesen wäre. Das heißt aber auch: Je enger und spezifischer sie Ihre Marke definieren, desto globaler sollten Sie denken. Nehmen Sie dazu etwa die Marke Vestiaire Collective. In unserer alten, stationären Welt haben wir viele kleine Secondhand-Läden, die mehr oder weniger erfolgreich sind. Vestiaire Collective hat dieses Prinzip perfekt auf das Internet übertragen. Mit 9 Millionen Mitgliedern in über 50 Ländern ist diese Marke heute die größte Plattform für Secondhand-Luxus- und Premiummode. Aber auch hier ist die Gründungsgeschichte der Marke mindestens so interessant wie die heutige Marktführerschaft.


Dropshipping Magazine: Was meinen Sie damit genau?


Brandtner: Vestiaire Collective wurde 2009 in der damaligen Finanz- und Wirtschaftskrise von Fanny Moizant und Sophie Hersan quasi aus dem Wohnzimmer heraus gegründet. Die beiden erkannten damals, dass viele „Fashion Girls“ ihre gebrauchten Designermodestücke über ihre Blogs verkauften, weil sie dafür keine geeignete Plattform vorfanden. So entstand die Idee eine Community zu gründen, um gebrauchte Luxus- und Premiummode zu verkaufen und zu kaufen. Das war die Basis. Und genau das ist das Geniale am Internet. Es erlaubt wirklich Einzelpersonen mit den richtigen Ideen in relativ kurzer Zeit starke Marken zu bauen.


Dropshipping Magazine: Sie haben oben noch die Strategie des Gegenteils erwähnt. Haben Sie dafür auch ein konkretes Beispiel?


Brandtner: Nehmen Sie den Markt für Fitnessstudios! Hier gab es in den letzten Jahrzehnten zwei große Trends, auf der einen Seite ging es in Richtung Premium, mit immer besseren Geräten und Programmen, auf der anderen Seite ging es in Richtung Diskont. Wie kann man sich in so einem Markt differenzieren? Brillant machte dies der amerikanische Fitnessexperte Mark Lauren, der sich mit seinem Buch und Bestseller „Fit ohne Geräte“ generell gegen die Fitnessstudios positionierte. Hier war das Buch die Basis für seine heute international erfolgreiche Online-Communitiy. Perfekte machte es auch Martin Limbeck, der sich in einer Welt der Love- und Softseller als der neue Hardseller positionierte. Diese Strategie des Gegenteils funktioniert deswegen so gut, weil es zu jeder Meinung eine Gegenmeinung gibt.


Dropshipping Magazine: Die Idee ist sicher der wesentliche Basisbaustein. Was man muss aber zusätzlich beim Markenaufbau beachten bzw. welche Fehler sollte man unbedingt vermeiden?


Brandtner: Die Basis einer erfolgreichen Marke ist immer eine erste Idee. Aber das alleine ist ganz klar zu wenig. Sie müssen, um wirklich erfolgreich zu werden, diese Idee in den Köpfen der Kunden verankern. Dazu sollten Sie speziell im Internet oder im E-Commerce in Summe auf fünf wesentliche Aspekte achten:

(1) Eine klare verbale Positionierung rund um eine erste Idee

(2) Ein starker Markenname

(3) Eine starke visuelle Positionierung

(4) Preisführerschaft oder eigene Preishoheit

(5) Ein Schritt-für-Schritt-Marken- und Marketingprogramm

Die ersten vier Punkte stellen die strategische Basis einer Marke dar. Der vierte Punkt ist wesentlich für die Umsetzung, um wirklich Schritt für Schritt etwa a la Facebook eine starke Marke zu bauen.


Dropshipping Magazine: Über die verbale Positionierung, also die grundlegende Idee haben wir bereits ausführlich gesprochen. Worauf sollte man speziell beim Markennamen achten?


Brandtner: Ein starker Markenname sollte einfach zu merken sein, die verbale Positionierung verstärken und international funktionieren. Gerade der letzte Punkt ist extrem wichtig. So verbauen sich viele Unternehmer ihre internationalen Chancen, weil man einen Markennamen gewählt hat, der nur national funktioniert. Nehmen Sie etwa Reishunger! Reishunger ist ein deutscher Onlineshop, der sich auf Reisliebhaber fokussiert hat. Sie finden dort unzählige Reissorten, Reiskocher, Snacks, Rezepte und vieles mehr rund um das Thema Reis. Brillante Idee mit einem Schönheitsfehler. Der Name Reishunger macht eine internationale Expansion extrem schwer, wenn nicht unmöglich. Speziell beim Namen sollte man von Anfang an international denken. Zudem sollten natürlich die wichtigsten Domains frei sein und der Name sollte unbedingt als Wortmarke schutzfähig sein.


Dropshipping Magazine: Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang die bereits von Ihnen erwähnte Visualisierung einer Marke? Worauf sollte man etwa beim Logo achten?


Brandtner: Extrem wichtig! Gerade Bilder können dazu beitragen, dass wir uns Marken und Markenideen besser merken. Für unser Gehirn ist das Sehen einfacher als das Lesen. So sind etwa auch Buchstaben zuerst einmal für unser Gehirn nur Bilder, die man sieht und die dann vertont werden müssen. Diese Vertonung ist aber für unser Gehirn ein Extraaufwand. Wenn Sie auf einem Paket den lächelnden Pfeil von Amazon sehen, wissen Sie sofort ohne Lesen welche Marke es ist. Oder nehmen Sie den angebissenen Apfel von Apple. Sie sehen ein Notebook mit diesem Apfel, sie wissen es ist ein MacBook. Im Idealfall verstärkt die visuelle Positionierung dabei entweder die verbale Positionierung oder den Markennamen. Dazu kommt noch ein wichtiger Aspekt im internationalen Marketing. Bilder brauchen keine Übersetzung. Die goldenen Bögen funktionieren in den USA, in Deutschland und auch in China. Auch hier ist wichtig, wenn man eine starke visuelle Positionierung entwickelt hat, dass man sich diese als Bildmarke anmeldet.


Dropshipping Magazine: Sie haben oben als vierten Punkt extra den Preis betont. Warum?


Brandtner: Aus Markensicht bietet das Internet viele Vorteile, aber auch einen Nachteil. Durch seine Transparenz ist es sehr anfällig für Preisvergleiche. Und diese Tendenz zum Preisvergleich kommt eigentlich nur drei Arten von Unternehmen entgegen: (1) Unternehmen, die die wahrgenommene Preisführerschaft besitzen, die also meist aufgrund ihrer Größe und ihrer Auswahl als klare Nummer 1 wahrgenommen werden. (2) Unternehmen, deren Kerngeschäft der Vergleich und damit auch der Preisvergleich ist. Das gilt für Check24 genauso wie für die vielen Buchungsplattformen wie Booking.com, Expedia oder Trivago. (3) Unternehmen, die eigene exklusive Produkte direkt oder auch über Amazon anbieten, bei denen kein direkter Preisvergleich möglich ist. Das ist auch ein Punkt den Dropshipper speziell beachten sollten. Man sollte bestmöglich exklusive Produkte anbieten, die sich nicht oder nur schwer vom Preis her vergleichen lassen.


Dropshipping Magazine: Sie haben bereits eingangs dargestellt, wie Facebook gewachsen ist. Warum ist es aus Ihrer Warte so wichtig, dass man schrittweise wächst?


Brandtner: Der große Fehler ist, dass man zu viel auf einmal möchte. Nur damit steigt die Gefahr enorm, dass man in der „Unendlichkeit“ des Internets sang- und klanglos untergeht. Hier empfiehlt es sich wirklich, dass man zu Beginn „so klein wie möglich“ denkt. Es geht darum, dass man sich einmal eine Basis schafft, von der man aus dann wachsen kann. Genau aus diesem Grund starten erfolgreiche Marken oft auch aus einem speziellen Interesse oder Hobby heraus. Nehmen Sie etwa Julia Baumann in Wien. Sie war Marketingleiterin in einem großen österreichischen Reiseunternehmen, parallel entdeckte sie für sich Yoga als perfekte Entspannung zum oft stressigen Beruf, und wurde nebenbei Yogalehrerin mit einer eigenen Community. Daraus entstand dann die Start-up-Marke Barefoot mit dem Thema „Raus aus den Socken und ab auf die Matte! Handselektierte Yoga Hotels und Yoga Retreats für Reisen, die dir die Schuhe ausziehen“. Das, was als Hobby begann, wird so immer mehr zum Geschäftsmodell rund um Yogareisen und Yogaurlaub.


Dropshipping Magazine: Haben Sie einen abschließenden Tipp für unsere Leser und Leserinnen?


Brandtner: Die besten Ideen für eine starke Marke findet man in der Regel im eigenen Umfeld, aus einem Hobby heraus, weil man ein Problem erkennt, oder weil man selbst eines hat. Dell Computer entstand, weil Michael Dell seinen Studienkollegen günstige PCs und Notebooks bieten wollte. Wenn man einmal eine Idee gefunden hat, sollte man dann aber systematisch die richtigen strategischen Weichen stellen. Heißt: Man sollte zuerst die verbale Positionierung entwickeln, dann darauf aufbauend den unbedingt international trag- und schutzfähigen Markennamen und zusätzlich die visuelle Positionierung. Dabei sollte man speziell auch schon darauf achten, wie man „tödlichen Preiskriegen“ einmal entgehen kann. Das ist – wie erwähnt – die strategische Basis. Und dann sollte man sich ein Schritt für Schritt-Programm überlegen, um zuerst einmal in einem kleinen Markt, bei einer kleinen Zielgruppe mental und tatsächlich Marktführer zu werden. Wenn man dann diese Basis hat, sollte man die weiteren Schritte überlegen. Dazu noch ein abschließender Tipp: Wenn Sie wirklich von großen Marken etwas lernen wollen, dann studieren Sie deren Geschichte. Sie werden überrascht sein, wie erfolgreiche Marken wirklich entstanden sind. Aber genau daraus kann man am meisten für die eigene Marke lernen.


Dropshipping Magazin: Danke für das Gespräch!


Markenstratege Michael Brandtner ist Österreichs führender Markenpositionierungsexperte und Associate of Ries Global. Im Herbst 2019 erschien sein Buch „Markenpositionierung im 21. Jahrhundert“. Sein Blog: www.brandtneronbranding.com

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Bildquelle: Michael Brandtner

23 Juni 2021