Online und Dropshipping Historie

Bevor sich die ersten Dropshipping-Onlineshops im Markt etablierten, musste sich zunächst einmal der E-Commerce entwickeln. Um die erste Verkaufsaktion im Internet ranken sich einige Geschichten, die alle nicht konkret dokumentiert sind. So hält sich hartnäckig die Meinung, dass Studenten der Stanford University Mitte der 70-er Jahre Marihuana Kaufvorgänge über das Computer-Netzwerk „Arpanet“ abschlossen, was aber nicht beweisbar ist, denn die jungen „Studies“ wurden nicht erwischt. „Arpanet“ gilt als ursprünglicher Vorläufer des Internets und wurde seinerzeit für das US-Militär erfunden. Um einen Onlineshop im heutigen Sinne handelte es sich aber bei den Studenten in Stanford noch nicht.

Lange vor den ersten Internetläden wurden Katalogwaren auch per Teletex des Fernsehers angeboten, darunter die später visualisierten, eher berüchtigten als berühmten „Leistungsangebote“ zum Werbeslogan: „Ruf mich an. Jetzt!“
Der nächste Schritt in die virtuelle Zukunft hieß „BTX“ mit einem eigenen Monitor. Hier konnte man schon einen Blick in sein Postbankkonto werfen, neueste Nachrichten lesen, sogar Mitteilungen senden und empfangen, sofern am anderen Ende auch ein Gerät stand. Neckermann war das erste Unternehmen in Deutschland, das per BTX-System mit pixeligen Bildern und Beschreibungen im Telegramm-Stil Katalogartikel anbot. In den USA bemühte sich TESCO, per Teletext und mit BTX-ähnlicher Technik Waren zu verkaufen. Gehandelt wurden übrigens Lebensmittel, was nur in wenigen großen Städten funktionierte. Trotzdem wurde TESCO später sehr erfolgreich, jedoch nicht mit Genussmitteln des täglichen Verzehrs.

Den ersten „richtigen“ online abgewickelten Kauf soll Phill Brandenberger beim damaligen Marktplatz Netmarket getätigt haben: Angeblich kaufte er am 11.08.1994 die Sting-CD „Ten Summoner’s Tales“ und bezahlte per Kreditkarte. Seinerzeit eine Sensation, die noch keinem Ladeninhaber Sorgen bereitete. Heute gibt es weltweit Millionen technisch perfekt funktionierender Onlineshops, die allein nur in Deutschland im Jahr 2020 satte 73 Milliarden Euro erwirtschafteten. Parallel schlossen und schließen immer mehr stationäre Geschäfte ihre Türen. Der größte Onlinemarkt der Welt ist China. Im Reich der Mitte floriert der Marktplatz „Taobao“, auf dem Waren für durchschnittlich mehr als 520 Milliarden US-Dollar pro Jahr über den virtuellen Verkaufstresen gehen.

Das alles war noch Zukunftsmusik, als die Studenten in Stanford ihre Spaß-Tütchen bestellten, sofern wir die Geschichte netterweise glauben.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Handel per Dropshipping-Methode schon eine 100-jährige Historie hinter sich. 

Die Erfindung des Telegrafen und die Telex-Technik Anfang des 20. Jahrhunderts eröffneten Kaufleuten neue, komfortable Wege über die eigenen Grenzen hinaus Handel zu betreiben. Damals gab es aber noch keine einheitliche Bezeichnung für die Geschäftsart Dropshipping, die bei uns „Streckengeschäft“ getauft wurde. In den USA setzte sich zunächst die Definierung „back-to-back-business“, sowie „stock and ship“, und zunehmend „drop and stock shipments“ durch. Shipment bezieht sich tatsächlich auf „shippen“, da Schiffe damals die einzige Transportmöglichkeit für große Güter waren. Das Streckengeschäft ging wortwörtlich über weite Strecken in einer Zeit, in der Waren oftmals nicht nur Wochen, sondern Monate lang unterwegs waren. Um einerseits die Lieferzeit abzukürzen und andererseits die Lieferkosten zu reduzieren, wurden sperrige Dinge oft vom Großhändler oder vom Hersteller direkt an die Endkunden verschifft. Der Einzelhändler fungiert(e) als Vermittler und Rechnungssteller.

Das Schiff, die Kutsche oder die Eisenbahn hinterließ Güter aus einer Fracht an verschiedenen Orten einer Strecke, womit wir beim „Drop“ ankommen. Das Wort lässt sich wörtlich mit „Tropfen“ übersetzen. Umgangssprachlich bedeutet es im passenden Satz ausgedrückt auch „etwas an einem bestimmten Ort zurücklassen.“ So ergab sich der heute weltweit verwendete Ausdruck „Dropshipping.“ Bevor „Container-Riesen“ die Weltmeere durchkreuzten, waren „Drops“ aus einer Lieferung in verschiedenen Häfen entlang der Route gängige Praxis.

Da das Streckengeschäft in einigen amerikanischen Bundesstaaten bis 2018 mit enormen Steuervorteilen verbunden war, wurde es nicht nur zur Reduzierung des Lieferaufwands betrieben. Der Steuervorteil ergab sich vereinfacht ausgedrückt dadurch, dass es in den USA relevant war und teilweise noch ist, in welchem Staat der Verkäufer und in welchem der Endkunde und wo der Lieferant wohnt (Nexus). Nur wenn der „Dealer“ dort steuerpflichtig war, wo sein Kunde wohnt, fiel eine Verkaufs- oder Umsatzsteuer an. Abhängig von der jeweiligen Steuergesetzgebung ermöglicht Dropshipping immer noch teils enorme steuerliche Vorteile, wenn die Kaufleute sich mit Steuervorteilen der US-Staaten auskennen. In Europa bestehen Steuerabkommen im Staatenbund, wobei für Verkäufe ins benachbarte Ausland die Mehrwertsteuer beim Verkäufer entfallen kann, wenn es sich beim Käufer um ein handelsrechtlich eingetragenes Unternehmen handeln. Details erklärt § 4 des Umsatzsteuergesetzes. Als Dropshipping-Händlerin oder Händler mit beachtlichen Gewinnmargen macht es durchaus Sinn, über die Verlegung des ständigen Aufenthaltsortes nachzudenken. Einige Länder locken vornehmlich digital arbeitende Kreative und Kaufleute mit geringeren Steuersätzen an oder erlassen sogar zeitweilig alle anfallenden Steuern. (Siehe unseren Bericht „Digitale Nomaden dringend gesucht“).

Dank Internet sind Dropshipping Geschäfte jeder kaufmännisch talentierten Person möglich. Was jedoch als moderne Handelsform viel diskutiert wird, hat also schon eine beachtliche Vergangenheit hinter sich. Im Gegensatz zu vergangenen Zeiten lässt sich ein Dropshipping-Handelshaus an jedem beliebigen Ort betreiben. W-LAN vorausgesetzt, ist es unerheblich, wo man sich aufhält. Ein kleines oder ein großes Geschäft, heute hier und morgen da: Dropshipping ist in jeder Hinsicht grenzenlos.

02 März 2022