Plattformen dominieren die Welt

Plattformen sind populär – und werden sowohl von Anbietern als auch von Verbrauchern heiß und innig geliebt. Was würden wir alle ohne Netflix oder Spotify machen? Wo würden wir als Dropshipper sonst so schnell, sicher und effizient unsere Produkte verkaufen wie auf Amazon, eBay, Alibaba und Co.? Plattformen sind in unserer Gesellschaft aktuell nicht mehr wegzudenken, sie machen unser Leben schöner, einfacher und bunter. Und das ganz im Zuge der Individualisierung – jeder kann die Plattformen nutzen, die in sein Leben passen und die ihn persönlich bereichern.


Kein Wunder, dass das Wachstum der Plattformen weltweit keine Grenzen kennt – vor allem Amazon, Microsoft, Alibaba, Ant Financial und Netflix sind die Gewinner. Bereits 2018 waren die 60 wertvollsten Plattformen sieben Billionen Dollar (6,2 Billionen Euro) wert, ein krasser Vorsprung zu den klassischen Unternehmen.


In den USA gehören Amazon, Microsoft und Netflix zu den besten Performern, im asiatischen Raum dominieren Alibaba, Ant Financial, Meituan, Didi Chuxing und Toutiao. In Europa haben Spotify, Wirecard und Adyen die beste Entwicklung hingelegt, stehen aber im Gesamtvergleich immer noch weit hinter den Wettbewerbern aus Asien und Amerika. Die Plattformen sind in allen Branchen vertreten, das Spektrum reicht von klassischen Produkt-Marktplätzen wie eBay zu Freelancer-Plattformen wie upwork, aber auch hin zu komplexen B2B2C-Plattformen wie Amazon oder Alibaba. Diese Plattformen sind insbesondere für uns als Dropshipper unerlässlich und bieten viele Vorteile im Online-Handel.


Die wertvollsten Plattformen der Welt mit Börsenwert in Mrd. Dollar (2018):


USA: Apple (941), Amazon (818), Microsoft (781), Alphabet (783), Facebook (548)

Asien: Alibaba (526), Tencent (509), Samsung (329)

Europa: SAP (145), Spotify (30), Wirecard (21), Zalando (13)

Afrika: Naspers (112)


Die Plattformen, die besonders datengetrieben sind, haben ihren Vorsprung vor den klassischen Unternehmen noch weiter vergrößert. Das haben die vergangenen sechs Jahre gezeigt. Hier legten die besten zehn Plattformen aus Asien um durchschnittlich 26 Prozent pro Jahr zu, während die Top-10-Unternehmen des DAX durchschnittlich nur 10 Prozent Wachstum verzeichneten. Diese Entwicklung symbolisiert ganz klar die Überlegenheit des neuen, innovativen Plattform-Models gegenüber des klassischen Geschäftsmodells.


Das Resultat dieser Entwicklung ist, dass sich der Wohlstand und das Einkommen in Richtung der Plattformbetreiber, bzw. deren Heimatländer verschiebt. Diese sitzen vor allem in den USA oder in China. Mit jedem Buchkauf auf Amazon und jeder gebuchten Fahrt über Uber, mit jeder Miete über Airbnb fließt ein Teil der Buchungssumme direkt in die Kasse der Plattformbetreiber. Nach Schätzungen des Instituts für Wirtschaftsforschung sind das im Jahr etwa 25 Milliarden Dollar (ca. 22,5 Milliarden Euro) netto, die aus Deutschland ins Silicon Valley fließen. Ein recht einseitiger Geldfluss, da über diese Transaktionen quasi nichts zurückkommt.


Die USA dominieren mit 67 Prozent Anteil am Welt-BIP die Plattformwelt, allerdings hat auch heute einen Anteil von über 30 Prozent am Wert der 60 wertvollsten Plattformen der Welt – Tendenz steigend, denn in Asien ist Alibaba und Tencent weiterhin auf dem Vormarsch. Europa dagegen beherbergt gerade mal 3 Prozent des Wertes, im Plattform Index der erfolgreichsten Plattform-Aktien ist Europa überhaupt nicht mehr zu finden.


Die Vorteile des Plattform-Business


Das Plattform-Business ermöglicht und fördert Transaktionen zwischen verschiedenen Nutzergruppen. Das wiederum bedeutet, dass nicht mehr der Besitz und ein effizientes Management vieler Produktionsfaktoren entscheidend für den Unternehmenserfolg sind, sondern das beste Management der Interaktion zwischen den Anbietern und Nachfragern. Das Unternehmen setzt den Fokus deshalb nicht mehr auf seine Ressourcen, sondern auf ein effizientes Plattform-Management. Da die Wertschöpfung so also nicht mehr von möglichst vielen guten Produktionsfaktoren abhängt, fällt die Notwendigkeit weg, möglichst hohe Skaleneffekte auf der Angebotsseite zu erzeugen. Dadurch entsteht die Möglichkeit einer schnellen Skalierung – ein großer Vorteil gegenüber klassischen Industrieunternehmen.


Die Plattform Generationen


Die Plattform-Ökonomie kann in verschiedene „Generationen“ unterteilt werden. Der Experte Holger Schmidt definiert diese wie folgt: Die klassischen Marktplätze (Generation 1), die Sharing Economy (Generation 2), dem datengetriebenen Ökosystem (Generation 3) und Künstliche Intelligenz (Generation 4).


Die Plattformen der Generation 4 liefern anhand der künstlichen Intelligenz so genaue Prognosen über das Kaufverhalten der Kunden und analysiert Kundenwünsche so exakt, dass Fabriken mittlerweile Produkte nur noch nach Bedarf produzieren und nicht mehr auf Halde. Diese Generation von Plattformen ist besonders KI- und datengetrieben. Je mehr Daten diese Unternehmen aufnehmen und sammeln, umso wertvoller werden sie. Denn so lässt sich ganz schnell und einfach der Wettbewerbseintritt in neue Märkte realisieren. Diese Plattformen wachsen permanent in neue Branchen, bieten erweiterte Services an und ihr Angebot permanent aus. Neue Produkte, neue Kooperationen und Partner prägen das Unternehmensbild.


Das perfekte Beispiel für ein Plattformen-Unternehmen in vierter Generation ist Alibaba. Denn auch Alibaba verkauft mittlerweile erweiterte Services zum Beispiel rund um Finanzdienstleistungen, Medien, Filmproduktionen, Gesundheitswesen oder Cloud Computing. Und auch Amazon und Uber haben ihr Angebot branchenfremd ausweitet. Uber begann als reine Fahrdienst-Plattform und bietet heute viele weitere Leistungen wie Essens-Lieferungen oder Krankentransporte. Amazon startete mit reinem Warenhandel, heute hat der Online-Gigant sein Angebot fast unbegrenzt erweitert. Vielfältige Services, von der Filmproduktion bis zu Web-Diensten sind verfügbar. Ein kluger Schachzug, denn die Plattform macht sich so von teilweise sehr geringen Handelsmargen unabhängig.


Lukrative Werbeeinnahmen


Außerdem ist im letzten Jahrzehnt eine ganz neue, lukrative Einnahmequelle der Plattformen entstanden: Retail Media. Der Fachexperte Holger Schmidt nennt diese Entwicklung „Die Geburtsstunde einer neuen Werbegattung“ – gemeint sind die höchst attraktiven Werbeeinnahmen der Plattformen mit großem Potenzial. Alibaba erzielte bereits 2019 rund 30 Milliarden US-Dollar (rund 26,7 Milliarden Euro) Umsatz mit Retail Media, Amazon setzte etwa 14 Milliarden US-Dollar (12,5 Milliarden Euro) mit Werbeeinnahmen um. Diese Form der Werbung ist die am schnellsten wachsende Form der Werbegattung im Online-Marketing, auch in Deutschland. Das Volumen jährlich liegt etwa bei einer Milliarde Euro Umsatz. Auch deutsche Plattformen wie Otto, Zalando oder About You betreiben eigenständige Service-Unternehmen, die sich auf Werbeeinnahmen spekuliert haben.


Auch Douglas-Chefin Tina Müller ist bereits bestens mit dem Plattform-Business vertraut und rief zusammen mit der Plattform direkt eine Agentur ins Leben, die „Beauty Media Solutions“, die das eigene Retail Geschäft betreut. Douglas verfügt über First-Party-Daten – hochwertige Datensätze von etwa 44 Millionen Kundenkarten. Genau wie Otto kann das Unternehmen anhand von effizientem CRM die Wünsche der Kunden und die Nachfrage perfekt bestimmen. Und anhand von ergänzender, zielgruppengenauer Werbung vervollständigen. Retail Media bietet noch einen weiteren Vorteil: Die online angezeigte Werbung erwischt die Kunden vermutlich in bester Kauflaune, denn sie sind ja gerade beim Online-Shopping in einem entsprechenden Shop unterwegs.


Der Preis der Plattformen


Plattformen sind für Anbieter und Kunden gleichermaßen wichtig geworden. Dennoch verbindet viele eine Hassliebe zu den Online-Giganten. Denn Partner und Konsumenten zahlen bisweilen einen hohen Preis für die Nutzung. Bei Konsumenten wird in der „Währung“ der Daten gezahlt, jeder Klick und jede Bestellung speichert tausendfach Kundendaten, Adressen und Vorlieben ab.


Genau diese Datenmengen machen die Plattformen so mächtig und erfolgreich. Die Partner zahlen mit dem Kontroll- und Kundenverlust – und mit der Abhängigkeit, die oftmals mit der Nutzung der Plattform einhergeht.


Trotzdem: Laut einer Bitkom-Befragung sehen immerhin 63 Prozent der Unternehmen in den digitalen Plattformen mehr Vor- als Nachteile. 89 Prozent der Befragten sind davon überzeugt, dass die Plattformen auch noch in zehn Jahren eine wichtige Rolle in der deutschen Wirtschaft spielen werden. Alles andere ist auch unwahrscheinlich – in China laufen ja bereits jetzt über 90 Prozent der Online-Verkäufe über Plattformen.


Und trotz der vielen negativen Meinungen zu Plattformen wie Amazon aus Händlersicht – 60 Prozent des Umsatzes über Amazon generieren mittlerweile selbstständige Händler, Tendenz steigend. Die meisten Händler verkaufen über den eigenen Shop oder andere Plattformen und über Amazon. Obwohl die Händler im eigenen Shop ihre Produkte oftmals günstiger (bis zu 15 Prozent) anbieten, kaufen die meisten Kunden dennoch über Amazon. Diese Tatsache macht deutlich, dass Verbraucher große Plattformen wie Amazon oftmals bevorzugen. Kunden fühlen sich dort sicher, gut aufgehoben und suchen oftmals von Anfang an nur über eine bestimmte Plattform wie Amazon. Dementsprechend ist der Vorteil für uns Dropshipper nicht von der Hand zu weisen – ein Großteil unserer Umsätze kommt schließlich über Amazon und Co.


Wird Alibaba als neue Plattform den deutschen Handel revolutionieren?


Alibaba kommt nach Europa und somit auch Deutschland – siehe unseren Bericht zu diesem Thema im Magazine. Einige Experten befürchten mit dem Markteintritt des Online-Giganten den Zusammenbruch des deutschen Einzelhandels, da viele Kunden dann nur noch über Alibaba kaufen. Das bleibt jedoch abzuwarten, denn Alibaba wird vermutlich auch nur ein weiterer Wettbewerber sein, der hierzulande auch nicht die Größe und Präsenz aufbauen kann wie in Asien. Dafür sind schlicht und einfach zu wenig Einwohner und potenzielle Kunden vorhanden. Während Alibaba nämlich allein beim Single’s Day 2019 über 100 Millionen Neukunden im asiatischen Raum gewann, sind in Deutschland schlichtweg nur 80 Millionen Einwohner „verfügbar“.


Kurz: Es bleibt spannend. Die Marktmacht von Plattformen ist kaum noch aufzuhalten und dieser Trend wird wohl auch in Zukunft noch wichtiger werden. Welche Plattformen letztendlich das Rennen machen und ob Alibaba Amazon in Europa den Rang ablaufen wird, bleibt abzuwarten. Dennoch ist es wohl an der Zeit, dass wir Frieden mit den Plattformen schließen und versuchen bestmöglich mit diesen zu arbeiten. Trotz oftmals unbefriedigender Bedingungen.

07 Juli 2021