Was würde Jeff tun?

Dropshipping ohne Amazon? Richtig, das ist möglich, aber schwerer als gedacht. Und warum überhaupt sollte man Amazon außen vor lassen? Eine reine Abhängigkeit ist gewiss zu vermeiden. Aber sich hin und wieder die Frage zu stellen: Was hätte Jeff Bezos getan? Wieso ist das bei Amazon so erfolgreich? – Das kann nicht schaden. Warum das Rad neu erfinden, wenn man von einem der erfolgreichsten Unternehmer lernen kann? Autor John Rossman, einst leitender Angestellter bei Amazon, kennt diese Fragen und weiß: Jeff Bezos folgt mit seinem Weltkonzern einem ganz eigenen Weg, um Herausforderungen zu bewältigen, bessere Ergebnisse zu erzielen und neue Ideen und Märkte zu erobern. Du kannst aus Rossmans Buch eine Menge lernen – nicht nur, aber auch für Dropshipping. Bist du bereit?

»Was würde Jeff tun?« In den 1990ern tauchte in den USA das Akronym »WWJD« – »What would Jesus do?« – auf Aufklebern und T-Shirts auf. Varianten davon ließen nicht lange auf sich warten. Wissenschaftler fragten: »Was würde Darwin tun?«, Fans der Rockgruppe »The Grateful Dead« fragten: »Was würde Jerry tun?«* Das ging immer so weiter, einmal sah ich sogar einen Aufkleber, auf dem stand: »Was würde Atticus Finch tun?«** Sie verstehen, was ich meine. In den letzten fünf Jahren haben sich meine Kunden und die Leser meiner beiden vorherigen Bücher immer wieder ihre eigene Version dieser Frage gestellt, nämlich: »Was würde Jeff tun?« Wenn man mir diese Frage stellt, ist damit meist so etwas gemeint wie: »Was heißt eigentlich ›digital‹?«, »Wie schütze ich meine Firma vor Disruption?«, »Wird Amazon in unsere Branche oder in unseren Bereich eindringen?«, »Wie bringt Amazon solche Ergebnisse zustande?«, »Würde Amazon mich als Partner wollen?«, »Würde Amazon unser Unternehmen kaufen wollen?«, »Wie kann ich meine Shopping-Funktionen so einfach gestalten wie bei Amazon?« Es gibt Hunderte Fragen in dieser Richtung, aber alle können am Ende zu der einen Frage eingedampft werden: »Was würde Jeff tun?«

Der beste Angriff ist noch mehr Angriff Warum werden in den kommenden zehn Jahren 80 Prozent der Fortune-1000-Unternehmen durch andere ersetzt sein? Warum droht Unternehmen die Disruption? Auch wenn ich damit riskiere, eine allzu simple Antwort auf eine komplexe Frage zu geben, lautet meine Antwort: Erstens, weil Unternehmen sich zu sehr verlassen auf ihre Art zu denken, auf ihre Muster und Ansätze; und zweitens, sich zu verändern ist wirklich schwierig. »Transformation« hört sich gut an, aber in Wahrheit ist dieses Konzept unglaublich schwer zu fassen. In den meisten Fällen manifestiert sich diese großartige Vorstellung von Organisationsund Geschäftsrevitalisierung lediglich in ein paar kurzfristigen Projekten und Bemühungen, anstatt dauerhafte Veränderung oder langfristige Werte zu schaffen. »Unternehmen haben eine kurze Lebensdauer, und Amazon wird eines Tages Opfer von Disruption werden«, sagte Bezos 2013 in einem Interview. »Ich mache mir darüber keine Sorgen, denn ich weiß, dass es unvermeidlich ist. Unternehmen kommen und gehen. Unternehmen, die die glanzvollsten und wichtigsten einer Ära sind. Aber wenn man ein paar Jahrzehnte abwartet, sind sie weg. Mir wäre es lieber, dass es [die Disruption von Amazon] passiert, wenn ich schon tot bin.«1 Unternehmen, die sich nicht über ihre alten Modelle und vergangenen Erfolge definieren, bewahren ihr Potenzial, Marktführer zu bleiben, sie bestimmen die kommende Ära und sind in der Lage, sich im Laufe dieser turbulenten Zeiten zu wandeln und zu wachsen. Dieses Potenzial zu pflegen und zu erhalten erfordert eine geistige Agilität von Weltklasse. Anstatt sich also auf laufenden Geschäften auszuruhen, die nach wie vor wachsen, oder zu versuchen, die Profitabilität nach oben zu treiben, investiert Amazon heute in Initiativen, die sich jahrelang nicht auszahlen werden, wenn überhaupt jemals.

Warum soll ich »wie Amazon denken«? Amazon Web Services, AWS, ist das größte cloudbasierte On-DemandUnternehmen. Es war außerdem das erste. Dieses Geschäftsmodell ergab sich jedoch nicht aus einer disruptiven Strategie der Zerstörung, indem es dem traditionellen Modell von Hard- und Software sowie Lizenzen ein Ende setzte. Diese Strategie kam erst später hinzu. Dieses Geschäftsmodell entsprang der Notwendigkeit des Handelsunternehmens Amazon, die Infrastruktur seiner Datenverarbeitung anzupassen. Und so kam es dazu: Während der Urlaubssaison 2003 hatten wir Probleme mit der Zuverlässigkeit der Website, und das in der betriebsamsten und wichtigsten Zeit des Jahres. Nicht gut. Nachdem wir uns durch diese Urlaubszeit irgendwie durchgewurstelt hatten, wurde unverzüglich eine Taskforce gebildet, die sich um Skalierung und Zuverlässigkeit der Website kümmerte. Dieses Team beschloss, die Infrastruktur der Datenverarbeitung zu zentralisieren. Wir sollten interne Kunden bedienen. Dann stellte man fest, dass von internen Kunden keine Nachfrage ausgeht, sondern nur von externen Kunden. Daraus folgte die Anweisung, die Infrastruktur umzukehren und diese den externen Kunden anzubieten. Schon bald stellen wir fest, dass die Entwickler die On-Demand-Möglichkeiten liebten. Und ganz nebenbei hatte sich so die Strategie von AWS entwickelt. Überlegen Sie einmal, in wie vielen Geschäftsbereichen Amazon heute tätig ist: Handel in nahezu jeder vorstellbaren Kategorie, an jedem Markt, Cloud-Technologie, Film- und Fernsehproduktion, Verlagswesen, Smart Speaker, Geräte wie Echo, Kindle oder Türklingeln, Logistik und Supply Chain, Lebensmittel, über 80 Handelsmarken und Gesundheitswesen. Amazon ist ein Unternehmenskonglomerat, das stolz von sich behaupten kann, unternehmerisch, kundenzentriert und wenig bürokratisch zu sein.Jeder seiner Geschäftsbereiche verfügt über externe Kunden und könnte vom Konzept her ein eigenständiges Unternehmen sein, das andere Amazon-Einheiten bedient, ebenso wie andere Unternehmen und Kunden. Amazon schafft das, ohne sich in unzählige Bürokratieschichten zu verzetteln, vor allem aufgrund seiner Leadership-Prinzipien – und der vielen Ideen, die wir in diesem Buch betrachten werden. Natürlich dreht sich das »Amazon-Denken« nicht nur um Innovation. Das Ganze wird von einem fanatischen operativen Bereich von Weltklasse unterstützt. Relentless.com (dt.: unermüdlich, Anm. d. Übers.) war der Name, den Bezos für sein Start-up registriert hatte, und die WebAdresse führt noch immer zu Amazon.com.Unermüdlich ist Amazons Haltung gegenüber hervorragenden operativen Prozessen. Amazon ist eines von fünf Unternehmen, das das Forschungs- und Beratungsunternehmen Gartner als »Meister« in Supply Chain Operations anführt. Gartner erläutert, Amazon sei ein »bimodales« Supply-Chain-Unternehmen, einzigartig in seiner Fähigkeit, sich sowohl neuen Geschäftsmodellen anzupassen als auch Innovationen zu entwickeln. 2016 hatte Amazon allein im Bereich Supply Chain über 80 Patente vorzuweisen!2 Die Fähigkeit, sowohl in Weltklasse-Manier zu arbeiten als auch ein systematischer Innovator zu sein, der mit Leidenschaft seine Kunden bedient – ist das nicht genau das, was jeder CEO will? Genau deshalb ist es so wichtig, »wie Amazon zu denken«.

Die Leadership-Prinzipien von Amazon Amazon hat 14 Leadership-Prinzipien. Als ich bei Amazon war, waren sie noch kein formaler Regelkatalog, sondern wir sprachen jeden Tag darüber und wandten sie an, wenn wir Entscheidungen trafen. Irgendwann nachdem ich 2005 gegangen war, wurden die Leadership-Prinzipien festgeschrieben. Die LPs (Leadership Principles), wie sie intern genannt werden, spielen eine zentrale Rolle bei Amazon, denn sie sorgen für eine gleichmäßige Verteilung von Schnelligkeit, Verantwortung, Risiko und Ergebnisorientierung. Man muss aufpassen, dass man sich nicht zu stark auf nur ein Leadership-Prinzip stützt und die anderen vernachlässigt, und man muss sie mit Bedacht anwenden. 1. Customer Obsession – 100 Prozent kundenorientiert 2. Ownership – Unternehmertum: Verantwortung übernehmen 3. Invent and Simplify – Erfinden und Vereinfachen 4. Are Right, A Lot – die richtige Entscheidung treffen 5. Learn and Be Curious – neugierig bleiben und stetig Neues lernen 6. Hire and Develop the Best – die besten Mitarbeiter einstellen und weiterentwickeln 7. Insist on the Highest Standards – höchste Maßstäbe anlegen 8. Think Big – in großen Dimensionen denken 9. Bias for Action – aktiv handeln 10. Frugality – Kostenbewusstsein/gezielter Einsatz von Ressourcen 11. Earn Trust – Vertrauen aufbauen und verdienen 12. Dive Deep – Dingen auf den Grund gehen 13. Have Backbone, Disagree and Commit – Uneinigkeit klar kommunizieren und dennoch gemeinsame Entscheidungen unterstützen 14. Deliver Results – Ergebnisse liefern5

Jeff Bezos beurteilt Dinge in einem Zeitrahmen, der es ihm ermöglicht, langfristig zu investieren. Manchmal wirklich langfristig. Es ist allgemein bekannt, dass Bezos enge Beziehungen zu einer Stiftung namens The Long Now Foundation pflegt. Diese Stiftung beschäftigt sich mit dem immer kurzfristigeren Blickfeld der Gesellschaft. Auf einem Grundstück im Westen von Texas, das Bezos gehört, haben sie eine Uhr gebaut, die einmal im Jahr tickt. Der Jahrhundertzeiger bewegt sich alle 100 Jahre weiter und der Kuckuck kommt nur jedes Jahrtausend heraus, und das die kommenden 10 000 Jahre lang. Man muss nicht extra betonen, dass Jeff Symbole liebt. Die 10000-Jahr-Uhr steht als Symbol für seinen Willen, immer groß zu denken und auf lange Sicht zu planen – als Unternehmen, als Kultur und als Welt.

Auf lange Sicht Diese Eigenschaften in Ihrer eigenen Organisation zu entwickeln ist kein einzelnes Projekt. Es ist schwierig, einen maßgeschneiderten Weg zu entwickeln, die Ergebnisse zu prognostizieren, und es wird alles schwer vorherzusagen sein. Aber Sie müssen glauben – an die transformativen Kräfte von Daten, Technologie, Innovation und an das Streben nach Perfektion – angewandt in jedem Arbeitsbereich. Wenn Sie Erfolg haben wollen, ist es lebenswichtig, langfristig zu planen. Ständige übers Knie gebrochene Aktionen im Quartalsdenken, wie sie für die meisten amerikanischen Unternehmen typisch sind, sind nicht nur ineffizient, sie sind sogar toxisch für Ihre Kultur. Machen Sie sich frei von diesem Denken! Wenn Sie die Digitalisierung für eine kurzfristige Maßnahme halten oder glauben, innerhalb kürzester Zeit einen Nutzen davon zu haben und entsprechende Ergebnisse zu bekommen, dann haben Sie nicht verstanden, welchen Weg Sie hier eingeschlagen haben, und dann haben Sie auch nicht die Geduld und den Rückhalt, ihn so lange zu gehen, bis er Früchte trägt. Wir starten unsere Entwicklung zu Schnelligkeit und Agilität, indem wir über Kundenobsession sprechen. Damit hat Amazon nämlich auch angefangen.

Kernfragen 1. Welche Langzeitrisiken bestehen für Ihre Branche und Ihr Unternehmen? 2. Was bedeutet der Begriff »digitales Unternehmen« für Sie? 3. Wird diese Definition auf der Führungsebene Ihres Unternehmens ebenfalls vertreten, und ist sie die Grundlage für die Strategie?

Zum Weiterlesen: © des Titels »Mach’s wie Amazon« von John Rossman (ISBN 978-3-86881-796-6) 2020 by Redline Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.redline-verlag.de
07 Jul 2021
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